Wolfgangskulptur auf dem Kirchplatz

DER JUNGE HEILIGE WOLFGANG VERLÄSST SEIN ELTERNHAUS IN PFULLINGEN

von Annette Zappe aus Kempten

*
Der Pfullinger Wolfgang ist nicht, wie üblich, als betagter Mann mit hoher Mitra und kunstvollem Bischofsstab dargestellt. Ganz ohne klerikale Attribute, aber zielgerichtet schreitet er als junger Mensch durch das Tor, das mit dem stilisierten Hausdach auch für sein Elternhaus in Pfullingen steht. Die schlichte dreieckige, bzw. kegelförmige Grundform seines Mantels verweist auf das
Geistige und Heilige.

*
In der Hand trägt er ein KIRCHENMODELL, das
bekannteste Attribut des Heiligen. Es ist nicht das
Modell einer großen, prunkvollen Kirche, sondern eine
bescheidene Kapelle, wie sie Wolfgang am Fuße des
Falkensteins in Österreich gebaut haben mag. Dieses
KIRCHE-BAUEN wurde in den verschiedensten
Formen sein Lebensthema. Er fand die Klöster in
einem stark verweltlichten Zustand und reformierte
sie nach der Gorzer Reformbewegung, die im Kern
eine Rückbesinnung auf die christlichen Grundlagen
ist. Heute würden wir dazu sagen: BACK TO THE
ROOTS. Ganz ohne klerikale Symbole, die gleich
Distanz schaffen, steht dieser Wolfgang so als Vorbild
für eine junge und bescheidene Kirche.

*
Was bewegte Wolfgang bereits im Alter von etwa zehn Jahren sein Elternhaus zu verlassen? – In der
wenige Jahre nach seinem Tod vom Mönch Otloh verfassten Lebensbeschreibung, der VITA SANCTI WOLFGANGI lesen wir: „ER DÜRSTETE VON FRÜHER KINDHEIT AN GAR SEHR NACH GOTT, DER QUELLE DES LEBENS.“ Die BIBEL als die Quelle der
göttlichen Weisheit, die unaufhörlich fließt und die dürstende Seele tränkt, trägt er in seiner Rechten. Vielleicht mag er damals seine persönliche Antwort
im Psalm 36 gefunden haben, aus dem der Vers auf den Buchseiten stammt:
„DENN BEI DIR IST DIE QUELLE DES LEBENS“

*
Seine Suche nach Gott und sein Wissensdurst bewegten
ihn, seine Heimat zu verlassen, um in der berühmtesten
Klosterschule seiner Zeit auf der Insel Reichenau
ausgebildet zu werden. Seine Geisteskraft und
Hilfsbereitschaft machten ihn bald über die Grenzen der
Region hinaus bekannt und seine Redegewandheit war
eine Gabe, die ihm auch später immer wieder half, –
mittelalterlich ausgedrückt – seinen Kritikern das Maul zu
stopfen. Der wie abgerissen wirkende Mantelsaum deutet
auf seine einfache Herkunft. Dies bereitete ihm immer
wieder Schwierigkeiten, da es in jener Zeit üblich war, nur
Adelige zu Bischöfen zu berufen. Wolfgang dagegen wurde
durch seine geistigen und intellektuellen Fähigkeiten
geadelt sowie durch sein großes HERZ.

Dennoch ist Wolfgangs Lebensweg auch gezeichnet von vielen Brüchen. Oft stand er in seinem Leben vor einem plötzlichen und radikalen Aus. Seine Kraft, trotz der Brüche und Sackgassen wieder aufzustehen, weiterzulaufen und auf neue Weise dem großen Ziel seiner Berufung entgegenzugehen, beeindruckt besonders. Wenn man die Linie, die sich aus dem Überschlag des Mantels ergibt, als LEBENSLINIE
interpretiert, so sind auch hier die Brüche sichtbar.
Drei BILDSYMBOLE laden ein, sich tiefer mit der spannenden Lebensgeschichte des
Heiligen auseinanderzusetzen.

*
Sein späteres BISCHOFSAMT in Regensburg ist bereits auf einem ZIERFLICKEN auf seinem Mantel sichtbar. Da Kleidung im Mittelalter noch kostbar war und man Löcher noch stopfte, wurden aufgesetzte Flicken zeitweise auch bei der gehobenen Bevölkerung zur Mode. So gibt es gotische Figuren, deren Gewänder mit Zierflicken geschmückt sind. – Wir können diesen Trend heute gut nachvollziehen, wenn wir an die bewußt durchlöchert hergestellten und teilweise wieder geflickten Edel-Jeans denken. – Auf Wolfgangs Zierflicken befindet sich das WAPPEN des Bistums Regensburg, dessen Bischof
er 22 Jahre lang war. In der Mitte eine kleine Mitra.
Die Ranken um das Wappen erinnern an das große HERZ, das Wolfgang zeitlebens hatte, indem er den armen Menschen half und Kranke heilte.

*
Rückseitig ist ein WOLF zu entdecken,
der um die Ecke des Mantels schleicht.
Er symbolisiert die dunkle Seite, die alle
Menschen und auch den Heiligen
begleitet. Er trägt ihn im Namen WOLF-
GANG, was so viel bedeutet, wie „der
mit dem Wolf geht“ oder auch „der mit
dem Wolf streitet“. Aber auch als
Widersacher beim Kapellenbau am
Falkenstein spielt der Wolf der Legende
nach eine Rolle und somit wurde er zu
einem weiteren Attribut.

*
Gegenüber vom Wolf bahnt sich ein WASSERSTROM
seinen Weg. Jesus sagt im Johannes-Evangelium:
WER AN MICH GLAUBT, VON DESSEN LEIB WERDEN …
STRÖME LEBENDIGEN WASSERS FLIESSEN. (Joh
7,38). Dieses lebendige Wasser, das für das
segensreiche Wirken des Heiligen, aber auch für den
GEIST steht, fließt als Relief dargestellt, unaufhörlich
von seinem Leib bzw. Mantel. So ist das WASSSER,
das einst in diesem Brunnen floss, gleichsam
transzendiert und auf symbolisch-geistige Weise
weiter gegenwärtig.

So möchte die Skulptur nicht nur Ausgangspunkt des neuen WolfgangWeges sein, sondern auch einladen, sich tiefer mit der Lebensgeschichte des Heiligen auseinanderzusetzen und darin Impulse für das eigene Leben zu entdecken. Denn KIRCHE, – das sind wir alle! Daher ist es immer wieder notwendig, wie Wolfgang, das Haus zu verlassen, sich auf den Weg zu begeben, um KIRCHE – vielleicht in ganz anderer Form – bescheiden, aber glaubwürdig auf dem Fundament des Evangeliums zu bauen.

Weitere Informationen zum WolfgangWeg: www.wolfgangweg.eu

Informationen zur Künstlerin: https://annettezappe.de