Pfingsten – Zukunft trotz Chaos

Liebe ehrenamtliche, neben- und hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gesprächspartnerinnen und Weggefährten, Bekannte und Freunde,

 

das diesjährige Fest der Power Gottes, des Heiligen Geistes, Pfingsten, liegt genau 166 Tage nach Weihnachten 2018 und 199 Tage vor Weihnachten 2019. Eine Zahlenspielerei, mag einer denken, oder. Der Dekan hat aber viel Zeit, wenn er sich auch noch mit solchen banalen Dingen beschäftigt. Es sind nicht die Tage, die letztlich zählen: „Tausend Jahre sind in [Gottes] Augen wie der Tag, der gestern vergangen ist“ (Ps 90,4); es ist die Gesinnung und Haltung des Menschen, aus der heraus er sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen gestaltet und damit auch unsere Zukunft und die unserer Kinder und Nachfahren bestimmt.

 

Soziale Spannungen und politische Verwerfungen, Populismus und Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Völkerhatz, Grenzzäune und Mauern, Gewalt und Killer-Roboter, Brexit und Exit, Verunsicherung und Zukunftsängste haben Hochkonjunktur. Wohin entwickelt sich unsere Erde, das Miteinander der Völker und Staaten, das Gesicht der Kirche und der Religionen? Was ist mit den Menschen, die keine Stimme haben, die sich selbst nicht helfen können? Welche Auswirkungen haben der Kommunikationswandel angesichts der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz sowie der Fachkräftemangel auch in der Kirche mitsamt dem Pflegenotstand im Blick auf die demografischen Herausforderungen?

Was gibt heute noch Orientierung? Da und dort hört man den Ruf nach einem starken Wort. Da muss doch endlich jemand einmal sagen, was Sache ist! Die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg (16) hat angesichts des Klimawandels mit ihrer globalen Bewegung „Fridays For Future“ die Verantwortlichen auf den Plan gerufen. Wer wird aktiv angesichts derer, „die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrucken und … ihre Macht über die Menschen missbrauchen“? (Mk 10,42).

Die Welt und die Kirche brauchen dringend wieder ein pfingstliches Wunder. Im biblischen Bericht vom Pfingstereignis heißt es:

„Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt… Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden …:Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pomphydien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie in unseren Sprachen. Gottes große Taten verkünden“ (Agp 2,2-4.6.9-11).

Zu schön, um wahr zu sein? Zu „schön“, wenn wir nur auf unsere eigenen Kräfte setzen denn sie lassen nach und sind brüchig, Wahr, wenn wir auf die Kraft Gottes, den Pfingstgeist, bauen, der – entgegen der begrenzten Ressourcen unserer Mutter Erde – unerschöpflich ist, nachhaltig und überglobal! Es ist die gute Kraft und Macht Gottes, von der der berühmte evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer zur Jahreswende 1944/45 schreibt – seine große Lebenswende vor Augen angesichts der nahenden Exekution: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag; Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“ (Kath. Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ Nr. 775, Ev. Gesangbuch Nr. 65 bzw. 541).

Die Veränderung unserer vielfach chaotischen Welt hin zu einer tragfähigen Zukunft hat eine Chance überall dort, wo Menschen unterschiedlichster Couleur „im Geist [der] Liebe für immer verbunden bleiben mit [Gott] und untereinander“ (Eucharistisches Hochgebet „Jesus, der Bruder aller“) und sich auch einlassen auf das verblüffende Wirken Gottes, wie es im Pfingsthymnus „Veni Sancte Spiritus“ von Stephen Langton um 1200 ersehnt wird (Gotteslob 344):

Komm herab, o Heiliger Geist, der die finstre Nacht zerreißt, strahle Licht in diese Welt.
Komm, der alle Armen liebt, komm, der gute Gaben gibt, komm der jedes Herz erhellt.
Höchster Tröster in der Zeit, Gast, der Herz und Sinn erfreut, köstlich Labsal in der Not.
In der Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod.
Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund.
Ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, kann nichts heil sein noch gesund.
Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, heile du, wo Krankheit quält.
Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt.
Gib dem Volk, das dir vertraut, das auf deine Hilfe baut, deine Gaben zum Geleit.
Lass es in der Zeit bestehn, deines Heils Vollendung sehn und der Freuden Ewigkeit.
Amen. Halleluja.

Ihnen allen, die Sie vor zwei Wochen an der Kommunal- und Europawahl teilgenommen haben und sich auf Ihre je persönliche Art und Weise für unser Dekanat Reutlingen-Zwiefalten engagieren, gilt mein aufrichtiger Dank! Wir tun gut daran, uns stets auf die demokratisch errungenen Werte zu stützen, sie zu erhalten und in unserm christlichen Eifer nicht nachzulassen!

Mit meinem jährlichen Pfingstbrief als Alternative zur Weihnachtspost wünsche ich Ihnen die pfingstliche Begeisterung für Gott und die Menschen! Auf ein weiter gutes und segensreiches Miteinander im Dekanat und Landkreis!

Herzlichst

Ihr

Hermann Friedl

Dekan